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Coronaeltern: Über Entschleunigung, Herausforderungen und Wahnsinn

  • von
Coronaeltern

Ja, es ist soweit. Lange habe ich das Thema Corona hier nicht direkt thematisiert, sondern nur am Rande im ein oder anderen Post erwähnt. Aber jetzt habe ich doch das Bedürfnis darüber zu schreiben. Insbesondere über das Leben als Coronaeltern. Alle Mamas (und Papas) sitzen ja im selben Boot. Wir sind alle Coronaeltern und durchleben gemeinsam mit unseren Kindern eine noch nie dagewesene Ausnahmesituation. Und diese Ausnahmesituation, diese Krise hat die unterschiedlichsten Seiten. Auf der einen Seite sorgt diese „Corona-Auszeit“ für eine Art der Entschleunigung, die wir alle kaum kennen. Im „normalen Leben“ hetzen wir oft durch den Tag, welcher beinahe minutiös durchgetaktet ist.

Hier ein Beispieltag:

  • 6:15 Uhr aufstehen
  • 6:45 Uhr frühstücken
  • 7:30 Uhr Abfahrt zur Kita (und wir wissen alle, was alles erledigt werden muss, bis das Kita-Kind, ein Baby und eine Mama fertig im Auto Richtung Kita sitzen)
  • 8 Uhr Kind in Kita abgeben
  • 8:15 – 9:30 Uhr Großeinkauf (für eine mehrköpfige Familie)
  • 10 Uhr Rieseneinkauf ins Haus schleppen und verstauen
  • 10:15 Uhr staubsaugen (wegen Krümelalarm unter dem Esstisch = potentielle Verschluckungsgefahr für das Baby)
  • 10:45 Uhr Bäder putzen (und sämtliche Zahnpasta-Pipi-Kacka-Überreste vom Kita-Kind und anderen familienmitgliedern entfernen)
  • 11:15 Uhr Abendessen vorkochen (damit es abends schnell geht)
  • 12 Uhr Baby füttern (sofern dieses gewillt ist zu essen)
  • 12:30 Uhr Baby zum Mittagsschlaf überreden
  • 12:45 – 13:30 Uhr selber essen, dabei Überweisungen tätigen oder Post abarbeiten
  • 13:30 Uhr Baby erklärt Mittagsschlaf für beendet und will spielen
  • 14 Uhr Baby und Mama bereit machen, um Kita-Kind abzuholen
  • 14:30 Uhr Kita-Kind abholen
  • 14:30 – 15 Uhr Wutanfall in der Kita begleiten, wahlweise weil du zu früh bist, zu spät oder nix zum Essen dabei hast
  • 15 Uhr Abfahrt an der Kita
  • 15:15 Uhr Ankunft am Spielplatz (Kinder auslüften)
  • 16.30 Uhr Wutanfall begleiten, weil Kita-Kind noch auf Spielplatz bleiben möchte
  • 17 Uhr (endlich) Abfahrt nach Hause
  • 17:30 Uhr Abendessen (muss zum Glück nur noch erwärmt werden)
  • 18:00 Uhr Abendroutine einleiten
  • 18:05 Uhr Wutanfall des übermüden KiTa-Kindes begleiten, weil es „noch nicht müde“ ist
  • 18:45 Uhr Buch bzw. Gute-Nacht-Geschichte vorlesen
  • 19 Uhr Licht aus und Einschlafbegleitung für beide Kinder
  • Zwischen 19:30 Uhr und 20:30 Uhr Kinder schlafen
  • 20:30 bis 21 Uhr gröbstes Chaos beseitigen
  • 21 Uhr bis 22 Uhr Lieblingsserie gucken und dabei auf dem Sofa einschlafen
  • 22 Uhr Umzug ins Bett

Entschleunigung seit Corona

Coronaeltern zwischen Entschleunigung und Überforderung

Seit der Corona – Zwangspause ist alles deutlich entspannter. Wir versuchen zwar auch jetzt eine gewisse Struktur im Alltag zu behalten, aber dennoch sind wir viel freier und flexibler. Jetzt geht schon damit los, dass wir nicht zu einer bestimmten Zeit aufstehen müssen. Die Kinder sind mein Wecker. Wenn sie wach werden stehen wir auf, spielen kurz und frühstücken dann. Wir entscheiden gemeinsam wann was gespielt werden soll und wann wir rausgehen wollen. Gegessen wird, wenn wir Hunger haben. Und selbst abends gibt es keinen Stress beim ins-Bett-gehen, weil es auf eine halbe Stunde hin oder her nicht ankommt. Wir können uns für alles viel mehr Zeit nehmen und somit auch achtsamer leben, weil kein Termindruck herrscht. Das klingt nun alles so idyllisch und entspannt. Ist es auch manchmal.

Aber oft ist das Leben als Coronaeltern auch eine riesige Herausforderung.

Besonders in der Länge liegt die Last. Zu Beginn der Corona-Pause bastelten wir jeden Tag die unterschiedlichsten Kunstwerke. Kuchen wurden gebacken, jede Woche ein anderer. Wir überlegten uns Parkours für den Garten , sammelten Naturmaterialien beim Spaziergang und produzierten Bügelperlenbilder wie am Fließband. Es machte richtig Spaß, sich täglich etwas Neues zu überlegen. Die Große war begeistert über das tägliche Programm und konnte so auch ihrer Fantasie und Kreativität freien Lauf lassen. Wir gestalteten einen DIY Kaufladen ohne dafür Geld auszugeben und es gab auch viel Gelegenheit zum Freispiel. Und auch Rollenspiele waren hoch im Kurs. Ich spielte bereitwillig das Baby, welches Geburtstag hat, in den Urlaub fährt oder einschlafen soll.

Doch nach inzwischen neun Wochen Ausnahmezustand ist die Luft raus. Ich (und vermutlich viele andere Coronaeltern) habe keine Ideen mehr und die Große hat keine Lust mehr. Auf nichts… wer kann es ihr verübeln? Wir haben alles schon einmal gebastelt, alles schon einmal gespielt… und auf Dauer bin ich eben nicht ausreichend als Spielpartnerin. Kinder brauchen gleichaltrige Freunde zum Spielen, um wachsen und lernen zu können.

Zum Glück kommen jetzt die ersten Lockerungen . Wir konnten mal wieder einen Spielplatz besuchen und auch die heißgeliebte Kita-Freundin im Freien treffen. Das ist schon mal viel wert. Dennoch fehlt einfach der Kita-Alltag. Ich habe meinem Kind lange Zeit erklären können, dass die Kita aufgrund des Virus geschlossen bleiben muss. Dass das wichtig sei, damit sich keiner mehr anstecken kann. Aber langsam wird das immer schwieriger. Nicht zuletzt wegen den irrwitzigen Entwicklungen.

Wahnsinn für entnervte Coronaeltern am Limit

Auch ich fand bisher sämtliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und zum Schutz aller durchaus sinnvoll. Wir haben uns ganz strikt daran gehalten und uns fast vollständig isoliert. Einzig zum Einkaufen begaben wir uns unter Leute. Und auch jetzt bin ich voll und ganz für weitere Vorsicht. Für die Maskenpflicht und den Mindestabstand.

Aber bei einigen Dingen hört für mich das Verständnis auf. Zu hören, dass die deutsche Bundesliga bald wieder losgeht ist für mich unbegreiflich. Dass 22 Männer schwer atmend einem Ball hinterher rennen dürfen, ohne Mindestabstand halten zu können, während meine Tochter und alle anderen Kinder weiterhin weitestgehend isoliert bleiben sollen… das ist nicht nur leichtsinnig, sondern auch eine bodenlose Unverschämtheit. Eine Ohrfeige für sämtliche Coronaeltern, die sich momentan ein Bein ausreißen, um Home Office, Kinderbetreuung und Homeschooling unter einen Hut zu bringen. Und ebenso eine Ohrfeige für alle Kinder, die seit Wochen ohne soziale Kontakte auskommen müssen. Leider hat der Fußball eine Lobby, wir Familien scheinbar nicht.

Fazit

Ich finde spätestens jetzt ist es an der Zeit für uns Eltern, laut zu werden. So wie Viola von „Mama und Co“ mit ihrem Beitrag Coronaeltern in den Medien. Gemeinsam dafür zu kämpfen, dass an uns und unsere Kinder gedacht wird. Und dass die Lockerungsmaßnahmen so vorgenommen werden, wie sie sinnvoll und hilfreich für alle sind, ohne Gefährdungen in Kauf zu nehmen.

Wie gesagt, ich bin sehr dafür und auch bereit weiterhin Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. Ich halte es sogar für sehr sinnvoll, damit Schwache geschützt werden können und eine weitere Corona-Welle verhindert werden kann. Aber wenn Fußball gespielt werden kann, was garantiert nicht überlebensnotwendig oder systemrelevant ist, dann muss auch über eine Möglichkeit der Entlastung von Familien nachgedacht werden, die sicher ist, aber für alle möglich. Los geht’s!

9 Gedanken zu „Coronaeltern: Über Entschleunigung, Herausforderungen und Wahnsinn“

  1. Von der Überschrift bis zum letzten Satz -sehr treffend die Gedanken der meisten Eltern im Moment gedacht und ausgesprochen! Wunderbarer Beitag!:-)

  2. Toller und wichtiger Beitrag!! Danke!

    Bei uns in Österreich ist die Situation so ähnlich, allerdings sind meine Kinder zum Glück seit letzter Woche wieder zurück im Kindergarten. Ich weiß nicht wie das bei euch jetzt ist, aber ich wünsche dir/euch dass deine/eure Kinder wieder bald in den Kindergarten zurück dürfen… Es entlastet ungemein (obwohl es wie du schreibst, zuhause auch gewisse Vorteile hat. Thema Entschleunigung und so).

    Ich würde deinen Blogbeitrag gerne in meinem verlinken wenn ich darf (hab vor einigen Wochen auch etwas zu diesem Thema geschrieben allerdings mit anderem Schwerpunkt)… zu finden ist er auf https://feeling-better.blog/2020/04/24/the-good-enough-mother/

    Alles Liebe und toitoitoi für die nächsten Wochen!
    Andrea

    1. Hallo liebe Andrea! Oh ja, sehr gerne darfst du den Beitrag verlinken. Ich hüpfe später auch direkt mal bei dir vorbei ;). Schön, dass deine Kids wieder in die Kita dürfen. Ich hoffe das klappt hier auch bald. Bin immernoch empört, weil hier nach und nach alles wieder öffnet, nur die Kitas bleiben bei der Notbetreuung…
      Liebe Grüße,
      Britta

  3. Pingback: Mamas in der Corona-Krise: Me, the good enough mother

  4. Kindergärten und Schulen sind seit 6 Wochen geschlossen; nur eine Notbetreuung für die Kinder der Eltern, welche einen systemrelevanten Beruf ausüben, wird gewährleistet.
    Welcher Beruf ist eigentlich nicht systemrelevant?
    Wie geht es den Eltern, die im Home-Office mehr home statt Office leisten? Die ihre Kinder in einen Kindergarten geben müssen, in denen ihre Kinder vorher noch nie waren?
    Welche Bedürfnisse haben die Kinder und deren Familien?
    Welchen Stellenwert misst man ihnen bei?
    Welche Rechte haben Kinder?
    Eine Situation, in der Familien überfordert und alleingelassen werden!

    Auf genau diese Gedanken bin ich in meinem Artikel eingegangen, der perfekt zu deinem passt: https://beduerfnisorientiertesfamilienleben.com/2020/05/02/folgen-sozialer-isolation-fuer-kinder-und-deren-familie/

  5. Mensch, tat das gut!! Ich bin also nicht die einzige, bei der die Luft raus ist.

    Und ich bin auch nicht die einzige, die denkt, da Fußball nicht das wichtigste Element unsere Gesellschaft ist. Ich habe in den vergangenen Wochen Schwangere begleitet, die Masken tragen sollen, während sie ihre Babys zur Welt beachten. Fußballspiel dagegen geht mit Maske nicht, weil es sonst zu anstrengend würde.

    Jahahaha.

    Danke für deine klaren Worte! Auch, wenn wir uns jetzt auf den Weg der Lockerung befinden – was Familien in den letzten Wochen geleistet haben, darf nicht vergessen werden!

    1. Ja, die Schwangeren tun mir unglaublich leid! Manchmal hat man keine Worte mehr! Als wäre ein Geburt auch ohne Maske ein Zuckerschlecken…

  6. Pingback: Achtsamkeit im Garten - 6 unkomplizierte Übungen für draußen - Frau Freigeist - Der Achtsamkeitsblog für Mamas | AchtMOMkeit ®

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